Altar

  Der Altar der St. Marien-Kirche wurde im Jahr 1765 anlässlich des Friedensschlusses von den dankbaren Bürgern der Stadt Herzberg für die Verschonung im siebenjährigen Krieg gestiftet. Das belegt ausführlich die Rückseite des Altars (Abb): »Theurer Heiland - da dein Walten uns im Kriege so erhalten, dass des Feindes schwere Hand Kirch und Stadt nicht abgebrannt, weihn - erlöset aus Gefahr - dir wir diesen Dankaltar. Mit dem Flehen, mit dem Bitten, bleibe ferner in der Mitten. Dein Gedächtnis soll allein unsers Segens Quelle sein. Am Tage der Einweyhung, den 11. August 1765.«).
Darüber sind die Namen der Baumeister H. G. Mertz, Bildhauer von Torgau, C. Zimmermann, Steinhauer von Torgau, C. G. Walde, Mauermeister in Herzberg, genannt.
Das Altarbild steht im Zusammenhang mit diesem Ereignis. Das belegt auch die lateinische Inschrift unterhalb des Altarbildes:
CHRISTO. THEANTHROPO.
T[heo]O[ptimo] M[aximo]
FORTUNATO.ALMAE.PACIS
INTER DEVM HOMINESQVE
CONCILIATORI
atque
PACIFICATORI
INTERPOSITA MDCCLXIII d.xv a cal. mart
PACIFICATIONE HUBERTIBURGENSI
ALTARE HOC
IN
PERPETUAE INSTAURATAE.QUIETIS
PUBLICAE.ATQUE.PRIVATAE
MEMORIAM
MONIMENTUM
PONIT POSUITQUE
BELLO.SEPTENNI.VEXATA.ATQUE.SERVATA
VOTIQVE DAMNATA
CIVITAS ECCLESIAQUE.HERTZBERGENSIS
 

Christus. Gottmensch.
dem allergütigsten, allerhöchsten Gott
der das Glück des Vaterlandsfriedens [verliehen]
zwischen Gott und Mensch
Vermittler
und
Friedensstifter
hat am 15. Februar anno 1763
zur Hubertusburger Friedensstiftung
diesen Altar
zur
Kontinuität andauernder Ruhe
für alle gemeinsam und jeden einzelnen
zur Erinnerung
ein Monument
gesetzt und gegründet,
die durch den Siebenjährigen Krieg erschütterte wiewohl bewahrte,
zur Erfüllung des Gelübdes verpflichtete
Stadt und Kirche zu Herzberg

Diese Inschrift verdankt sich dem Superintendenten Dr. Gottlieb Clemenz.
  Im Mittelpunkt des Retabels steht die Szene im Garten Getsemane (Mk 14,32-42). In dieser Stunde großer Angst wird mit den Strahlen, die von oben links kommen, an Jesu Taufe erinnert (Mk 1,11), und damit an die Zusage, dass Gott an seinem Sohn Wohlgefallen hat. Der Strahl rechts weist mit dem Engel, der den Kelch in der Hand hält, schon auf die Heilsbedeutung des Abendmahls. Die Christen der Stadt Herzberg deuteten offensichtlich rückblickend ihr Geschick während des Krieges mit dem Schicksal Jesu im Garten Getsemane.
Links die Figur Jesu mit Siegesfahne. Bisweilen wird diese Gestalt wegen der weisenden Geste ihrer rechten Hand auch für Johannes den Täufer (Wegbereiter Jesu) gehalten (Denkmaltopographie 7.1, 142). Diese Annahme wird man wegen der Siegesfahne, die sonst immer der auferstandene Christus trägt und der Inschrift im dazugehörigen Medaillon nicht halten können: »Jesus Gottes Vatters Ehr.« Auf der rechten Seite steht eine Mosefigur, leicht erkennbar an den Gesetzestafeln. Auf dem Medaillon: »Mose donre nur nicht mehr.« Die beiden Figuren repräsentieren die Stiftergestalten des Judentums (Mose) und des Christentums (Jesus). In der paulinischen Theologie, die für die Kirche seit der Reformation noch einmal besondere Bedeutung erlangt hatte, stehen sie für Gesetz und Evangelium: Mose für die Tora, Christus für die Freiheit vom Gesetz. Diese Engführung der jüdischen Tora auf »das Gesetz« wird dieser umfassenden jüdischen Lebenslehre in keiner Weise gerecht.
Die Figur oben auf dem Altar kann auch nicht Gottvater sein (gegen Denkmaltopographie 7.1, 142). In dem aufgeschlagenen Buch steht das Bibelwort »Ich habe es von dem Herrn empfangen«, das in der Bibel Paulus zugeschrieben wird (1Kor 11,23). Dass die Figur mit Paulus zu identifizieren ist, schreibt auch Johann Schulze in seiner Chronik (Schulze, Johann Christian: Chronik der ehemaligen Chur- und jetzigen Kreisstadt Herzberg. Nachdruck der Ausgabe von 1842. Herzberg 2011, 221).
Das Medaillon unter der Figur »Ich will meine Gelübde dem Herrn bezahlen für allen seinen Volk.« erinnert an Ps 22,26.
Auf dem Altar stehen Kruzifix, Kerzen, und Blumen. Entscheidend ist das Kruzifix: Hier ist ein Ort, an dem nicht mehr geopfert werden kann. Christi Kreuz »besetzt« es. Die Verbindung zu Gott geschieht im Beten. Im Gottesdienstbuch, das auf dem Altar liegt, sind alle Gebete und Gesänge für den gottesdienstlichen Gebrauch enthalten. Auf manchen Altären, vor allem in den Dörfern, liegen anstelle dessen Bibeln. Das geht auf eine unter Friedrich-Wilhelm III. eingeführte Tradition zurück, und die den Altar als Ort der Darstellung der zwei refomatorischen Grundsäulen »solus Christus« (Kruzifix) und »sola scriptura« (Bibel) inszeniert.